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Ein Mann steht in einer Werkstadt und baut eine E-Gitarre.

Brandenburger Zukunftsmusik

Brandenburger Zukunftsmusik

In einer ehemaligen Tischlerei kurz vor der Grenze zu Polen werden heute berühmte E-Gitarren handgefertigt.

Ein Aficionado in Brandenburg

Weite Panoramen und malerische Seen, Kraniche, Sturmfalken, Fischadler: Brandenburg ist bekannt für seine idyllische Natur und bezaubernde, meist stille Momente. Aber nicht nur. Denn wenn plötzlich verträumte Akkorde einer elektrischen Gitarre durch die Landschaft wehen, könnte man sich in der Nähe von Deimel Guitarworks im Naturpark Märkische Schweiz befinden. In der ehemaligen Tischlerei eines kleinen Dorfs, nicht allzu weit von der polnischen Grenze entfernt, werden heute erlesene, handgefertigte E-Gitarren gebaut, die von Musikerinnen und Musikern weltweit geschätzt und gespielt werden. Dahinter stehen Kora Jünger und Frank Deimel. Die Beiden aus dem weiten Westen von Nordrhein-Westfalen sind über Berlin 2015 in den „Wilden Osten“ Brandenburgs gekommen, um von hier aus die Welt ein bisschen besser klingen zu lassen. Und wie klingt eine Gitarre in der Märkischen Schweiz? „Man spielt tatsächlich ein bisschen mehr wie Neil Young“, lächelt Frank Deimel. „Ich schaue hier aus dem Fenster über die Felder und lasse die Akkorde einfach schweben.“

Frank Deimel und die elektrische Gitarre, das ist eine ganz besondere Beziehung. Schon in der Schule veredelte er Mathe- und Deutschbücher mit eigenen Designs für das Instrument, das wie kein zweites für die Ära der Rockmusik steht. Für die 1950er, 1960er und 1970er, in denen Ikonen wie Chuck Berry, Jimi Hendrix und Eric Clapton den Ton angaben. Und natürlich Frank Zappa, Frank Deimels Namensvetter und persönlicher Gitarrenheld. „Die Gitarre als weltweites Symbol für eine rebellische Kultur, das hat mich völlig fasziniert“, sagt er. Unzählige Selbstbauten, ein abgebrochenes Industriedesign-Studium und verschiedene Jobs als Gitarrenbauer später war es so weit: 1998 startete er seine eigene Gitarrenwerkstatt – mit großen Ambitionen und noch größerer Vielfalt.

Ein Mann steht in einer Werkstatt und schaut lächelnd in die Kamera. In der Hand hält er eine bunte E-Gitarre.

Ein Leben für die Elektrische: Frank Deimel

Die E-Gitarre als Kreativwerkzeug

Deimel Guitarworks möchte nicht die immer gleichen E-Gitarren-Modelle kopieren. Sondern die E-Gitarre an sich weiterentwickeln. Sie vom Staub des Ikonenhaften befreien und zum Werkzeug aktiver Musikschaffender machen. „Auf anderen Gitarren kriege ich einen neuen Song hin, auf eurer habe ich gleich fünf geschrieben“, hat der verstorbene Rockmusiker Niki Sudden mal gesagt. „Da wusste ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin“, sagt Frank. Nicht ablenken, sondern Kreativität ermöglichen – schließlich seien so einst auch die Les Pauls, Tele- und Stratocasters entstanden, die berühmtesten E-Gitarrenmodelle. Frank und Kora gelingt dabei das Kunststück, den Bogen zwischen Tradition und Gegenwart zu spannen. Nicht zuletzt, weil sie über ihren handwerklichen Qualitätsanspruch hinaus Augen und Ohren offenhalten für Trends und Wünsche der Musikszene. Das Ergebnis: innovative Sound-Technologien und atemberaubende Designs, etwa beim Deimel-Flaggschiff „Firestar“.

Eine Werkstatt. Auf der Werkbank liegt eine E-Gitarre.

Stück für Stück von Hand gebaut: Rund 120 Stunden Handarbeit stecken in einer Gitarre Marke Deimel.

Von Brandenburg auf die Bühnen der Welt

Und natürlich bei der „Artist Edition“: das sind echte Unikate mit hohem künstlerischem Anspruch. „Kunst mit Gitarrenbau zu verbinden, das haben wir über Jahre immer wieder ausprobiert“, sagt Künstlerin Kora, die in Hamburg und San Francisco studiert hat. Inspirieren lässt sie sich von gesellschaftspolitischen Themen wie Klimawandel oder Rassismus, die in Form Pop-Art-mäßiger Zeichnungen auf die Gitarre übertragen werden. Besonders Furore gemacht hat die „Black Lives Matter“-Edition, von der sich sogar Popstar Demi Lovato eine Gitarre bestellt hat. Kora findet es „toll, dass die Kunst auf der Gitarre auf die Bühnen der Welt geht.“ Und das tut sie: Auf der internationalen Kundenliste finden sich illustre Musiker wie der Argentinier Gustavo Santaolalla, der für „Brokeback Mountain“ den Filmmusik-Oscar gewonnen hat. Oder die US-Amerikaner Lee Ranaldo von Sonic Youth und Bryce Dessner von The National. Und natürlich deutsche Musikerinnen und Musiker wie Tocotronic oder Drangsal.

Eine bunt bemalte E-Gitarre von vorne und hinten. Auf dem Gitarrenhals steht "Black Lives Matter".

Schon jetzt legendär: Die Artist Edition „Black Lives Matter“.

Auf zu neuen Ufern

Während der Erfolg über die Jahre zunahm, wurde die Berliner Werkstatt, in der alles angefangen hatte, irgendwann zu klein. Und zu teuer: „Es hat sich schon 2015 abgezeichnet, dass wir die Berliner Gewerbemieten auf Dauer nicht stemmen können“, sagt Frank. Heute fertigen Kora und er mit einem Mitarbeiter rund 50 Gitarren pro Jahr in einer 380 Quadratmeter großen, lichtdurchfluteten Werkstatt, die mitten im Grünen liegt. „Wir sind hier nur eine Stunde von der Hauptstadt entfernt, können auf jedes Konzert gehen, haben dafür aber die Natur direkt vor der Haustür. Unser Erholungswert hat sich gefühlt verzehnfacht, während unser Geschäft ganz normal weiterläuft“, sagt Kora. Neue Kunden gewinne man heute sowieso meist über Social Media – allein der Instagram-Account von Deimel Guitarworks weist stolze 32.000 Followerinnen und Follower auf. Die fertigen Gitarren werden verschickt, auch das Material kommt über die gängigen Lieferdienste.

Ein Mann und eine Frau sitzen lächelnd auf einem Tisch in einer Werkstatt und halten eine bunte E-Gitarre.

Neu-Brandenburger Kreativ-Duo: Kora Jünger und Frank Deimel in ihrer Werkstatt.

Kreativ-Hotspot Brandenburg

Brandenburg zieht immer mehr kreative Menschen an, was auch daran liegen mag, dass man sich hier intensiv um sie kümmert: Die Plattform „Kreatives Brandenburg“ des Ministeriums für Wirtschaft und Energie vernetzt und unterstützt Künstlerinnen und Künstler sowie Kulturschaffende, vermittelt Fördermöglichkeiten, Workshops, Events und Jobs. Deimel Guitarworks etwa profitiert von kostenlosen Beratungsstunden. „Dass jemand mit uns in die Firmenstruktur schaut und sagt, was macht Sinn, was nicht, das ist wirklich ein tolles Angebot“, freut sich Kora. „Die kreative Szene wächst zusammen“, ergänzt Frank. „Und dieses Offene, das man aus Berlin kennt, also wie kreative Menschen miteinander umgehen, das schwappt jetzt ganz stark nach Brandenburg rein.“ Im Jahr 2023 begeht Deimel Guitarworks sein 25-jähriges Jubiläum – ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zum großen Ziel: die E-Gitarre zeitlos zu machen, zu einem zentralen Element von Zukunftsmusiken. „Das wollen wir vorantreiben, als Motor, Erfinder, Entwickler.“ Und dann greift Frank wieder nach seiner Firestar, dreht den Regler auf und lässt verträumte Neil-Young-Akkorde über die Brandenburger Weite schweben.

Eine bunt bemalte E-Gitarre liegt quer auf dem Boden.
Brandenburg ist...